Die jüngst verkündete Investitionszusage des Freistaats Bayern für die Krankenhausbauförderung im Jahr 2025 in Höhe von rund 446 Millionen Euro wird in der politischen Kommunikation als Ausdruck eines nachhaltigen Engagements für eine leistungsfähige stationäre Versorgung interpretiert. Unbestritten ist, dass eine gesicherte Investitionsfinanzierung zur Aufrechterhaltung der baulichen und technischen Infrastruktur von Krankenhäusern notwendig ist – insbesondere angesichts des demografischen Wandels, steigender Versorgungsansprüche und wachsender regulatorischer Anforderungen¹. Gleichwohl bedarf das Hochhalten des Fördervolumens einer differenzierten Bewertung, um zwischen politischem Signalwert und tatsächlicher Steuerungswirkung unterscheiden zu können.
Zunächst fällt auf, dass sich das Jahreskrankenhausbauprogramm 2025 in Bayern fast ausschließlich auf bereits in den Vorjahren beschlossene Maßnahmen bezieht. Es handelt sich somit weniger um eine strategische Neuausrichtung als vielmehr um die Fortschreibung bestehender Förderzusagen. Der kommunizierte Betrag steht insofern nicht für eine Ausweitung der Investitionstätigkeit, sondern für die Absicherung laufender Vorhaben. Das kann als Zeichen verlässlicher Planung verstanden werden – verweist aber zugleich auf die strukturelle Trägheit eines Systems, das bislang nur eingeschränkt flexibel auf tiefgreifende Umbrüche in der Versorgungslandschaft reagiert².
Auch das immer wieder betonte Spitzenniveau des staatlichen Krankenhausförderetats in Höhe von 800 Millionen Euro jährlich relativiert sich bei näherer Betrachtung. In Relation zum tatsächlichen Bedarf – der bundesweit auf mindestens sechs bis acht Milliarden Euro jährlich geschätzt wird³ – bleibt die Summe strukturell unzureichend. Zudem ist bislang nicht systematisch nachvollziehbar, inwieweit die Fördermittel mit übergeordneten Versorgungszielen wie der Stärkung integrierter Modelle, der Anpassung an Ambulantisierungstrends oder der Umsetzung der Leistungsgruppensystematik verzahnt sind.
Ein Vergleich mit anderen Flächenländern zeigt ähnliche Herausforderungen – jedoch mit zum Teil unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen.
Nordrhein-Westfalen hat sich in den letzten Jahren durch eine vergleichsweise offensive Neustrukturierung der Krankenhauslandschaft hervorgetan. Der Krankenhausplan 2022 basiert erstmals auf dem Konzept der Leistungsgruppen und legt eine neue Logik der Versorgungssteuerung zugrunde⁴. Die Landesregierung flankiert diese Neuausrichtung durch ein eigenes Investitionsprogramm von rund zwei Milliarden Euro (2022–2027), um Strukturveränderungen gezielt zu unterstützen⁵. Zwar liegt der jährliche Investitionsrahmen mit rund 750 Millionen Euro leicht unter dem bayerischen Niveau, doch ist die Mittelvergabe in NRW stärker an strukturpolitischen Zielsetzungen ausgerichtet. Investitionen erfolgen vorrangig dort, wo eine Neuausrichtung der Versorgungslandschaft – etwa durch Konzentration, Vernetzung oder Transformation in sektorenübergreifende Einrichtungen – gelingt.
Baden-Württemberg verfolgt hingegen einen eher stabilitätsorientierten Kurs. Mit einem Investitionsvolumen von rund 455 Millionen Euro jährlich (2024) liegt das Land ähnlich wie Bayern im oberen Bereich der Flächenländer⁶. Im Gegensatz zu NRW fehlt es bisher an einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Krankenhausstrukturplanung. Zwar liegt ein Landeskrankenhausplan mit Fokus auf Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit vor, doch erfolgt die Mittelvergabe weiterhin primär auf Antragsebene. Auch kleinere Standorte werden regelmäßig gefördert, wodurch sich eine breite Streuung der Investitionen ergibt, die eher dem Erhalt vorhandener Strukturen dient als gezielten Transformationsprozessen.
Hessen wiederum nimmt in diesem Vergleich eine Zwischenposition ein – allerdings mit besonderen Herausforderungen. Das Land verfügt über einen Landeskrankenhausplan, der punktuell strukturelle Veränderungen anstößt, jedoch insgesamt weniger kohärent in eine übergreifende Transformationsstrategie eingebettet ist. Die Investitionsmittel liegen mit jährlich rund 260 Millionen Euro deutlich unter denen der übrigen genannten Länder⁷, was auch mit einem historisch gewachsenen Rückstand in der Investitionsfinanzierung zusammenhängt. In der Praxis bedeutet dies, dass viele Krankenhäuser auf kommunale oder freigemeinnützige Eigenmittel, Sonderprogramme oder Kreditfinanzierungen angewiesen sind. Reformorientierte Investitionen – etwa zur Errichtung intermediärer Versorgungsformen – werden bislang kaum systematisch gefördert.
Vergleichende Einordnung
Im Vergleich lässt sich festhalten: Bayern investiert auf einem formal hohen Niveau, wobei der Fokus derzeit klar auf der Stabilisierung laufender Bauvorhaben und dem Erhalt bestehender Krankenhausstrukturen liegt. Eine systematische Verknüpfung mit den Zielen der Bundesreform – insbesondere hinsichtlich Ambulantisierung, Konzentration und Leistungsgruppen – ist bislang nicht eindeutig erkennbar. Nordrhein-Westfalen nutzt Investitionen dagegen stärker als strategisches Instrument der Strukturveränderung. Baden-Württemberg bewegt sich dazwischen: solide in der Finanzierung, aber mit begrenzter Reformdynamik. Hessen schließlich steht vor dem Problem begrenzter Mittel, eines teils inhomogenen Krankenhausangebots und eines nur selektiv eingesetzten Steuerungsansatzes.
Die bayerische Strategie folgt damit einem sicherheitsorientierten Investitionsansatz, der Verlässlichkeit signalisiert, aber zugleich an der bisherigen Förderlogik festhält. In einem zunehmend komplexen Versorgungskontext, der von regionaler Disparität, Personalknappheit, wirtschaftlichem Druck und neuen sektorübergreifenden Anforderungen geprägt ist⁸, stellt sich allerdings die Frage, ob dieser Kurs künftig noch ausreichend flexibel und wirksam ist. Die eigentlichen Herausforderungen des Systems – etwa strukturelle Über- und Unterversorgung, das Spannungsfeld zwischen stationären und ambulanten Leistungen und die zunehmende ökonomische Belastung vieler Träger – bedürfen einer weitergehenden strategischen Einbindung der Investitionspolitik.
Ist die Investition in stationäre Bauten überhaupt noch zeitgemäß?
Diese Diskussion gewinnt zusätzlich an Relevanz vor dem Hintergrund des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG), das eine stärker zentralisierte und nach Leistungsgruppen ausgerichtete Versorgungsstruktur vorsieht⁹. Gleichzeitig soll der Anteil ambulanter Leistungserbringung deutlich steigen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die ausschließliche oder zumindest vorrangige Förderung stationärer Infrastruktur noch dem intendierten Transformationsziel entspricht.
Insbesondere dort, wo bauliche Investitionen nicht mit konzeptionellen Neuausrichtungen einhergehen, besteht das Risiko, dass bestehende Versorgungsmodelle unbeabsichtigt verfestigt werden – selbst wenn sie künftig nicht mehr tragfähig oder funktional erscheinen. Strategisch sinnvoll wäre es daher, bestehende Krankenhausstrukturen konsequent auf ihre Transformationsfähigkeit hin zu prüfen – etwa im Hinblick auf modulare Nutzungskonzepte, sektorübergreifende Nutzbarkeit oder neue Versorgungsschnittstellen¹⁰.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob künftig auch ambulante oder intermediäre Versorgungseinrichtungen – wie ambulante OP-Zentren, intersektorale Gesundheitszentren, Hybridambulanzen oder digitale Primärversorgungsstrukturen – in die öffentliche Investitionsförderung integriert werden sollten. Derzeit besteht hierfür weder eine eindeutige gesetzliche Grundlage noch ein etablierter Finanzierungsrahmen, was die Entwicklung neuer Versorgungsformate strukturell erschwert.
Ein Blick nach Nordrhein-Westfalen zeigt, dass dort bereits erste konzeptionelle Brücken gebaut werden, indem Investitionen gezielt auf jene Einrichtungen konzentriert werden, die künftig als sektorenverbindende Knotenpunkte fungieren sollen. In Bayern hingegen steht bislang weiterhin die stationäre Substanz im Zentrum der Förderpraxis – mit einem deutlichen Fokus auf Bestandssicherung und einer bislang zurückhaltenden Integration neuer Formate. Hessen wiederum bleibt bislang in der Förderpraxis auf klassische Investitionspfade beschränkt, ohne dass ein strukturpolitischer Paradigmenwechsel sichtbar wäre – was vor dem Hintergrund der teils angespannten Lage insbesondere kleinerer Krankenhäuser problematisch ist.
Fazit und Ausblick
Der Freistaat Bayern bewegt sich mit seinem Jahreskrankenhausbauprogramm weiterhin innerhalb eines klassisch-stationär geprägten Förderregimes, das Stabilität gewährleistet und Planungssicherheit schafft. Zugleich wird deutlich, dass dieser Ansatz vor dem Hintergrund tiefgreifender systemischer Veränderungen einer Überprüfung und möglichen Weiterentwicklung bedarf. Während Länder wie Nordrhein-Westfalen Investitionspolitik zunehmend als Teil aktiver Versorgungssteuerung verstehen, setzt Bayern bislang auf bewährte Fördermechanismen, ohne diese systematisch mit neuen Versorgungsmodellen zu verzahnen. Baden-Württemberg und Hessen zeigen jeweils andere Schwächen: das eine im Tempo, das andere in der Ressourcenausstattung.
Im Kontext der anstehenden Reformen wäre es sinnvoll, die Investitionspolitik auch für ambulante und sektorenübergreifende Strukturen zu öffnen – und so der tatsächlichen Dynamik des Wandels Rechnung zu tragen. Die Gestaltung eines zukunftsfähigen Gesundheitssystems wird nicht allein über bauliche Maßnahmen an bestehenden Krankenhausstandorten gelingen, sondern über eine weitsichtige, integrierte Planung, die Strukturen dort stärkt, wo sie künftig gebraucht werden – unabhängig vom Sektor. Für Bayern – ebenso wie für Hessen und andere Länder – bedeutet dies, Investitionspolitik nicht länger als administrative Pflichtübung, sondern als aktives Steuerungsinstrument im Wandel der Versorgung zu begreifen
Autor:
Dr. Matthias Wokittel FuturaMed
Erschienen 9/2025 in ‚das Krankenhaus‘ vom Kohlhammer Verlag
Fußnoten:
1. Bundesministerium für Gesundheit (2023): „Gesundheitsversorgung der Zukunft – Herausforderungen durch Demografie und medizinischen Fortschritt“
2. Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (2025): Jahreskrankenhausbauprogramm – Mitteilung zur Fortschreibung laufender Projekte
3. Wissenschaftlicher Beirat beim BMG (2022): Stellungnahme zur Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser in Deutschland
4. Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW (2022): Krankenhausplan NRW – Einführung des Leistungsgruppensystems
5. Landtag NRW Drucksache 18/1300 vom 17.05.2022
6. Land Baden-Württemberg: Haushalt 2024/25 – Einzelplan 09 Gesundheit und Soziales
7. Hessisches Ministerium für Soziales und Integration: Krankenhausinvestitionsbericht 2023
8. Bertelsmann Stiftung (2020): Zukunftsfähige Krankenhausversorgung – Regionalisierung, Ambulantisierung, Digitalisierung
9. Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG), Referentenentwurf BMG, 2025
10. IGES Institut (2021): Strukturwandel im Krankenhausbereich – Herausforderungen und Perspektiven